Leichtathletik-WM 2011 in Daegu:

„Danke Ralf“

Im letzten Durchgang des Kugelstoß-Finales wuchtet sich David Storl zu WM-Gold

DAEGU. Ralf Bartels ist ein gestandener Mann von 33 Jahren, hat schon viel von der Welt gesehen und selbst auch schon den ein oder anderen Erfolg im Sport gefeiert. Er ist keiner, der zu Übertreibungen neigt. „Das kann man nicht in Worte fassen, phantastisch, einfach genial“, sprüht es nur so aus ihm heraus. Der Altmeister, der als Zehnter nach drei Versuchen eigentlich das Stadion hätte verlassen müssen, weigerte sich einfach zu gehen. „Ich ahnte, dass etwas Großes passiert.“ Er wollte ganz nah dran sein an einer der Sensationen dieser WM: Davids Storls Sieg als jüngster Weltmeister der Geschichte im Kugelstoßen mit 21,78 Meter. Im letzten Durchgang wuchtete sich der 21-Jährige zu Gold.

Jüngster Kugelstoß-Weltmeister aller Zeiten: David Storl.
Foto: Wolfgang Birkenstock

Was für ein Abend im Daegu Stadium. Da hielt es sogar die koranischen Zuschauer, die sonst schon einmal gerne während der Wettkämpfe nach Hause gehen, wie gebannt auf den Sitzen. Auf der einen Seite der Frauen-Speerwurf mit Weiten jenseits der 71 Meter, auf der anderen Seite ein unbekümmert auftretender, gerade einmal 21-Jähriger aus Chemnitz, der an diesem Tag die Kugelstoß-Welt durcheinander wirbelte. Er überraschte die Konkurrenz, die sich schwer tat, die Zuschauer und auch sich selbst. „Ich bin reingegangen und wollte Bestleistung stoßen.“ Genau das hat er getan. Dass er seine erst am Tag zuvor in der Qualifikation auf 21,50 Meter angehobene Bestleistung, zugleich U23-Europarekord, gleich noch einmal um 28 Zentimeter steigern würde, und das für eine Medaille, und sogar für Gold reichen würde, damit hat wohl niemand gerechnet. Er auch nicht. „Ich habe nicht an eine Medaille gedacht. Ich bin ganz locker ins Finale gegangen.“ Dann geht es oft am besten.

Die Führung, die er seit dem zweiten Versuch mit 21,60 Meter inne hatte, hielt bis Durchgang Nummer vier, als sich Dylan Armstrong, der Weltranglistenführende aus Kanada, mit einem Stoß auf 21,64 Meter an dem angehenden Polizisten aus Chemnitz vorbeischob. „Ich war sehr nervös“, gibt Storl zu. Seine Versuche vier und fünf waren ungültig. Er habe Blickkontakt zu seinem Trainer Sven Lang gehabt. „Und Ralf hat mir zur Seite gestanden und mir vor dem letzten Versuch gute Tipps gegeben. Er hat mir gesagt, dass ich ruhig sein solle.“ Schön, dass das in diesem Fall so einfach ging. Storl zeigte keine Nerven. Silber hatte der frühere Mehrkämpfer, der sich vor fünf Jahren auf das Kugelstoßen konzentriert hat, ja auch schon sicher. Mehr als er je erwartet hatte. Es wurde noch mehr: 21,78 Meter. Gold war greifbar. Es hing am letzten Versuch des Kanadiers, der aber nicht mehr kontern konnte.

„So richtig glauben konnte ich es erst nach dem letzten Versuch“, sagte Storl unmittelbar nach dem Wettkampf. „Ich bin mega-stolz darauf. Ich war nach der Qualifikation schon geschockt, dass ich in solche Bereiche vorgestoßen bin. Ich war überrascht, wie locker mir die Kugel von der Hand ging.“ Und noch etwas wollte er loswerden: „Danke Ralf!“

Dieser stand bei Storls Siegerehrung in der Mixed Zone, schaute sich die Zeremonie auf einem TV-Bildschirm an und hatte Tränen in den Augen.

Wolfgang Birkenstock